An dieser Stelle möchte ich mich für die Freigabe nachfolgenden Zeilen bei
Frau Dr. Michaela Duhme herzlich bedanken.

VERNISSAGE    „KUNST  UND  FLORISTIK“   - Orangerie  19.4.2012

Ich freue mich, Sie dieses Jahr in die Ausstellung „Kunst und Floristik“ einführen zu dürfen. Als erstes stellte sich mir die Frage: was verbindet die Beiden? Für mich ist es NATUR. Und damit kommt ein Satz von Goethe ins Spiel:

„Die Natur ist das einzige Buch, das auf allen Blättern großen Gehalt bietet“.

Ich denke auch dem bildenden Künstler. NATUR : großartig, umfassend, absolut – wie KUNST im besten Fall ja auch. Aus innerer Notwendigkeit entstehend, im Kern nie lehrbar, wie Techniken, bei denen natürlich „Übung den Meister macht“, aber der ist noch lange kein Künstler! Kunst setzt hohe Sensibilität, wache Aufmerksamkeit, Mut zu Neuem ebenso wie Abenteuerlust voraus. Kinder bringen das mit, weshalb sie Kunst sehr nahe sind. Aber wie bei ihnen die Schule, so steht bei Künstlern heute formale Ausbildung oft zu stark im Vordergrund. Nicht dass sie total unwichtig wäre, aber bei KUNST berührt uns doch das NICHT  Lehrbare -  ist meine Überzeugung. Und auf dem Weg zu einem Künstlergespräch hörte ich vor ein paar Tagen Gerhard Richter im Radio sinngemäß sagen: Kunst, die einem Zweck diene sei keine Kunst mehr,  sei dann Design, Grafik, Politik, .... Nicht mehr frei jedenfalls und damit in seinen Augen nicht KUNST. Wie überall lässt sich auch darüber streiten!

Mit diesen Vorbemerkungen möchte ich Ihnen heute drei Künstlerinnen, die alle Drei Mitglied im VBKW sind, und einen Künstler, den sie als Gast dazu geladen haben vorstellen. Alle Vier sind sehr genaue Beobachter, die sich – ganz unterschiedlich – von Natur wie Umwelt inspirieren und anregen lassen. Aus- und Weiterbildung in diversen Techniken haben sie alle gesucht, aber damit dann eigene Wege beschritten.

Nach dem Motto „Ladies first“  möchte ich in alphabetischer Reihenfolge mit Susanne Feix beginnen:
Schon als Schülerin wollte sie nichts als Malerin werden. Nach dem Abitur führte ihr Weg sie über die freie Kunstschule in Stuttgart an die dortige Kunstakademie. Später lernte sie die Glasbläserei kennen und lieben. Seither integriert sie diese Technik in ihr Schaffen, das drei Bereiche umfasst, die oft ineinander spielen und sich gegenseitig befruchten:
nämlich Malerei, Glaskunst und Installation.
Experimentierend lotet sie mögliche Varianten aus, als Ziel immer die Vermittlung bzw. Entstehung von Illusion in Tiefe, Raum und Zeit im Blick. Dabei schleicht sich nicht selten Natur ein.
Bestimmte Aspekte aus früheren Werken oder Werkgruppen greift Sie oft später wieder auf.
So bei den drei hier gezeigten Installationen zum Themenbereich „Unter meinem Dach“:
Unter einem Dach hängen Zweige, also Natur, in Glasröhren konserviert von der Decke. Für Susanne Feix ein Verweis auf deren Gefährdung durch menschliche Einflüsse.
In „Schrift-Verkehr“ weckt die ungewohnte Kombination von Reifen und Glasbehältern voll Streifen alter Briefe und Umschläge Gedanken an dahinfließende Zeitläufe oder an Verkehr und Kultur.
In der 3.Installation hängt in einem Eimer eine komplexe Glasarbeit mit Schnüren, deren komplizierte, nicht im ersten Anlauf gelungene Herstellung Susanne Feix als Metapher auf Folgen eines Misslingens versteht, das immer zu aufregend Neuem weiterführen kann.

In ihren Arbeiten an den Stellwänden hat sie zwei Zeichnungen, sowie eigene Fotos von Bäumen und Wald - zum Teil gespiegelt - über Digitaldruck hinter Glas gelegt und dann auf der Glasvorderseite, mit der Technik des Sandstrahlens experimentierend, bestimmte Aspekte formal betont oder zurückgedrängt.
Bekanntes, Altvertrautes überrascht bei Susanne Feix  in neuem Kontext, öffnet andersartige visuelle Erfahrungsfelder, lockt Gedanken zu möglichen Folgen des Aufeinandertreffens von Natur und Kultur: WER wird auf lange Sicht wen beherrschen? Natur die Kultur, oder umgedreht? Wohin werden Sie sich assoziierend locken lassen? Tauschen Sie nachher Gedanken mit der Künstlerin.

Für die aus Hessen stammende, seit langem in Asperg lebende Christel Friedmann ist Natur DIE große Inspiration: Bäume, Sträucher, Erdfurchen, Eisformationen, Spuren im Sand von Strand oder Wüsten – alle sind ihr Anstoß bei der Entwicklung eigener Formen, eigener Linien. Linie und Struktur stehen bei ihr im Mittelpunkt. Für sie lebt Kunst von und mit Strukturen, die sie überall entdeckt. Linien bilden überraschende Strukturen. Metall, Silikon, Schläuche, Kabel, Farbe – alles sind Linien, die sich durch Christel Friedmanns Hände zu Formen strukturieren, zu puristisch abstrakten Kompositionen von hoher Ästhetik,  im Zwei- wie im Dreidimensionalen.

Sie zeigt bei dieser Ausstellung drei Werkgruppen:   Nester, Kissen und Verwicklungen.
Die  Nester, die Sie hier sehen, sindaus Silikon, nur eines aus Metall – der Feuchtigkeit dieses Raumes geschuldet. Ob aber Metall oder Silikon, das Grundprinzip ist gleich. Wobei die fragil- schwerelose Wirkung ihrer aus Draht gebogenen, sehr schweren Metall-Nester besonders faszinierend ist ( sie hat dafür eine eigene Technik entwickelt). Material wird extrem verdichtet, somit jedes Nest von Schicht zu Schicht gewichtiger. Linien biegen, ja schlängeln sich über Linien.  Und manchmal wachsen – wie bei Moosnestern im Wald – zarte Linien nach oben, an Gräser erinnernd.
Christel Friedmanns Kissen,  von quadratisch bis  extrem rechteckig, haben eine jeweils eigene Struktur und Farbigkeit: von weiß-grünlich, an frisch auf Grün gefallene Eiskristalle oder Hagelkörner erinnernd, bis dunkelrot aus lauter kleinen Silikon-Rosenblüten. Kleine Strukturen im Zusammenspiel mit puristischen Flächen.
Schließlich noch ihre Linien-Objekte, die beiden „Verwicklungen“.
Kabel- und Röhren-Linien winden sich durch- und umeinander. Von Garten-  bis zu giftgrünen Plastikschläuchen und grau-schwarz-orangen Stromkabeln. Dickere, dünnere, fast wie Schlangen, die sich zur Paarungszeit zu hunderten ineinander verschlingen, nicht mehr erkennbar wo die eine endet, die andere anfängt – zur eigenständigen Form geworden. Es könnten genauso gut Pflanzen sein. Vielleicht auf Verworrenes in unserem eigenen Inneren weisend. Ist ein „Entwirren“ notwendig? Oder brauchen wir heute gerade Verdichtung - mit oder ohne Verwicklungen? Christel Friedmann bietet dem Betrachter viele Anregungen!

Erika Molfenter, die Dritte im Bunde, stammt aus Neustrelitz. Doch längst ist Ludwigsburg ihre Heimat geworden.
Auch sie hat sich schon als Jugendliche intensiv autodidaktisch mit Malerei auseinander- gesetzt. Aber gelernt hat sie einen „Brotberuf“,  nämlich technische Zeichnerin. Dabei hat sie genaues Zeichnen gelernt, was ihr dann in Ludwigsburg geholfen hat, als Porzellanmalerin sie interessierte und sie das in den Räumen der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur ausprobieren konnte! Sie sehen welch engen Bezug SIE zu diesem Ort hier hat.
Nie gab sie jedoch die freie Malerei auf. Seit den 80iger Jahren hat sie sich im Aquarellieren und in experimenteller Malerei weitergebildet. Über Aktzeichnen fand sie zu ihren stark abstrahierten Figuren. Ausflüge in abstrakte Malerei führten sie nur wieder zur Figur zurück. Das Figürliche ziehe sie grundsätzlich dem Nicht-Figürlichen vor, sagt Erika Molfenter.
Farbe, Figur und Form spielen bei ihr ineinander. Ob grüne Collagen aus Papier, wie die hier gezeigten,  rot dominierte oder farblich zurückhaltende Malerei, gekoppelt mit Collage-  und auch Drucktechniken, ihre abstrakt reduzierten menschlichen Figuren sind eine Art Bindeglied, das sich durch ihr gesamtes Werk zieht. Sie bevölkern Räume, mal im Vordergrund stehend, dann wieder wie Teile einer umfassenden Architektur wirkend, manchmal in Ruhe, dann  wieder in Bewegung.

Neben großer Experimentierfreude charakterisiert Erika Molfenter auch  leidenschaftliche Sammlerfreude, die sie überall in der Natur auf Anregungen stoßen und reizvolle Objekte entdecken lässt. Beides im Zusammenspiel führt sie beim Arbeiten in verschiedenen Techniken zu breitgefächerten Gestaltungs- und Anwendungsmöglichkeiten von Material wie Farbe.  Ihre Figuren erscheinen immer als Repräsentanten der Gattung MENSCH. Persönlich und unpersönlich zugleich.

Wohl gerade deshalb wurde sie gebeten für Margot Käßmann’s  Buch „In Gottes Hand gehalten“ 11 Bilder und die Umschlagsgestaltung beizutragen. Die Arbeiten „Erzählungen“ geben einen groben Eindruck von den Bildern in diesem Buch.  Es ist nicht ihr einziger „Illustrations-Ausflug“ geblieben.
Spüren Sie nachher der Ausstrahlung von Erika Molfenters  „Menschenfiguren“ nach!
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Kommen wir zum „Gast“  Kurt H.-O. Georg John.  In Stuttgart aufgewachsen,  wanderte er  als Jugendlicher mit Staffelei und Malutensilien durch die Stadt,  wollte Maler werden. Aber nach Beendigung der Schule meinte sein Vater: „Lern‘ was Anständiges, Kunst ist brotlos!“ So begann er eine Ausbildung in einer Farben- und Lackfabrik. Farbchemie und Farbherstellung reizten ihn – im Geist fühlte er sich da alten Meistern wie Michelangelo nah, die ja auch zuerst Lehrjahre im Farben und Pigmente Reiben, Mischen und richtig Anwenden absolvieren mussten.
Trotz Beruf hat Kurt John immer gemalt, hat Studienreisen in alle Welt unternommen, Kunstkurse besucht, sich mit Kunstgeschichte befasst. Vor ca. 15 Jahren entdeckte er das Arbeiten mit Holz, das sofort zu seiner Leidenschaft wurde. Anders als viele Bildhauer will er nicht „sich das Material gefügig machen“, sondern, quasi dialogisch, mit dem Holz im Gespräch etwas entwickeln, das über SEINE Vorstellung allein hinausgeht. Die gewachsene Natur ist Partner, mit beteiligt am Endergebnis. Entsprechend  nimmt er nicht jedes Holz! Er wählt Stücke, die ihn spüren lassen, was oder wer in ihnen steckt.
Dahinter wiederum steht seine Beschäftigung mit dem Verhältnis des Menschen zur Natur in Mythen wie der Edda, dem Gilgameschepos oder antiken Sagen. Intensiv beschäftigt er sich dann mit der Geschichte der Figur, die er im Holz spürt. Sie wird Teil von ihm und im Arbeiten am Holz mit großer innerer Intensität – was viel Zeit braucht – entstehen in ihm zugleich auch Gedicht oder Haikus (die japanischen Kurzzeiler).
Akazie, Robinie (falsche Akazie), Eiche, vor allem Mooreiche bearbeitet er häufig, aber auch Olive oder Obstbäume. Hartes Holz liebe er besonders, solches, das bis zur letzten Faser unnachgiebig sei, charaktervoll, betont Kurt John. Er will das Holz minimieren, auf den Stand reduzieren, der die gewachsene Grundstruktur eines viele Jahrzehnte alten Holzes und seine künstlerische Gestaltungsidee zu einer harmonischen Form vereint. Dabei geht es ihm nie um Schönheit oder Realismus, sondern um eine glaubwürdige, nachvollziehbare Synthese, um Archetypen, die Natur und Mensch in sich vereinigen.
Kurt John ist einer, der auch die Kunst der Kunstvermittlung exzellent beherrscht! Deshalb möchte ich Sie anregen das Gespräch mit ihm zu suchen – jeder Versuch meinerseits Ihnen seine Figuren im Einzelnen näher zu bringen ist im Vergleich klein und nichtig.

Erleben Sie nun die so unterschiedlichen Wege der Auseinandersetzung mit Natur und menschlichem Dasein. Von Susanne Feix, die über ungewohnte Blickwinkel auf Natur und Kultur, wie durch spezielle Installationen wachrüttelt; zu  Christel Friedmann, die unseren Blick für Linien und Strukturen von Natur wie Umwelt mit ihren Objekten schärft und Erika Molfenter, deren abstrahierte Figuren uns durch wechselnde Farben und Räume zur Auseinandersetzung mit der Stellung des Menschen in der Welt animieren, bis zu Kurt Georg John, der uns Vergänglichkeit wie Dauer mit seinen Archetypen nicht nur  „vor Augen führt“, sondern diesen Geist IN UNS spürbar werden lässt.

Sie alle Vier gehen in ihrem künstlerischen Schaffen immer weiter. Sie tun, was Ludwig Markuse verlangt hat, als er feststellte:
„Wer nicht mehr will, als er kann, bleibt unter seinem Können.“

Ich bin überzeugt, auch Sie können das und so wünsche ich uns allen jetzt, dass jeder Einzelne sich zutraut seinen EIGENEN Weg in diese Werke zu entdecken und zu gehen. Und damit Ihnen allen viel Freude und interessante neue Erfahrungen durch die Ausstellung.

Quelle: Dr. Michaela Duhme     Mainzer Allee 15     71640 Ludwigsburg