Sie nennen sich Wirtschaftswunder, und wer diese herrlich schrille Band erlebt, hat unweigerlich das Gefühl, dass die 50er- und 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts wieder zurückgekehrt sind. Denn was Oswald, Helga, Dr. Sputnik, Eddie Schillinger, Jens von Eden und Hans Albern auf die Bühne bringen, treibt den Schlagerspaß jener wild bewegten Zeit auf die Spitze: „Ich will nen Cow-boy als Mann“ oder „Liebeskummer lohnt sich nicht“ - all das und vieles mehr kommt in der Schlagerrevue dieser Band zu neuen Ehren.

Auf der Bühne wirken Sie, als seien Sie per Zeitmaschine geradewegs aus den Wirtschaftswunderjahren in unsere Zeit gekommen. Ist das nur Ihr Bühnenoutfit oder würde man Sie auch privat als Freund dieser Ära erkennen?


Oswald: Der Bezug zu dieser Zeit ist bei uns allgegenwärtig. Die meisten sind in den 60-ern geboren. Helga bezieht gerade ein 50er-Jahre-Haus, Dr. Sputnik schenkte mir zum Geburtstag einen geschmackvollen dreistöckigen 50er-Jahre-Blumentopfständer, von seiner Frisur ganz zu schweigen.

Wie weit mussten Sie sich in diese wild bewegte Zeit hinein vertiefen, um das damalige Lebensgefühl so perfekt rüberzubringen?

Oswald: Da mussten wir nichts vertiefen. Wir kamen so zur Welt.

Die Musik der 50er- und 60er-Jahre ist wieder groß in Mode. Können Sie sich erklären, was so viele Menschen für diese Zeit begeistert?

Jens von Eden: Da uns diese Frage schon seit Jahren immer wieder gestellt wird, liegt der Schluss nahe, dass diese Musik nie aus der Mode war. Was die Begeisterung für diese Zeit betrifft, muss man halt sagen, dass früher sowieso alles besser war - angefangen vom Design der Autos . . .

Hans Albern: . . . und aufgehört bei der Erfindung des Minirocks.

Wer kommt in Ihre Konzerte: Nur die Älteren, die diese Musik noch im Original erlebt haben, oder auch junge Leute, die das Virus ebenfalls gepackt hat?

Helga: Es ist wirklich unglaublich, aber wir werden von allen Alters-klassen geliebt. Die Jungen kennen unsere Texte genauso gut wie die
Älteren und singen auch genauso hemmungslos mit. Schlager machen
eben glücklich.

Bemühen Sie sich, die Titel von damals so originalgetreu wie möglich
zu interpretieren oder muss es mit einem Augenzwinkern sein, damit
man nicht in musealer Ehrfurcht erstarrt?

Oswald: Das Augenzwinkern ist ja in den meisten Liedern schon von
Haus aus eingebaut. Sollte das mal nicht der Fall sein, scheuen wir
uns nicht, die Nummer unserem Charakter entsprechend umzubauen.

Wie läuft das, wenn Sie eine neue Nummer arrangieren?

Oswald: Wir probieren halt so lange rum, bis es gut tut. Man muss
gut drauf tanzen können, schließlich soll die Tanzstunde nicht
umsonst gewesen sein.

Ihre Konzerte bieten mehr als nur Musik. Wie wichtig sind die Fans,
die jeden Auftritt zum großen Happening machen?

Oswald: Ohne unsere Fans geht natürlich gar nichts. Ich liebe es, bei
manchen Liedern mit meinem Gummiboot über den Köpfen des
Publikums in See zu stechen. Und wenn da die Leute mitmachen,
dann bin ich glücklich und gebe alles. Aber das ist eigentlich kein
Thema, denn es muss mal gesagt sein: Wirtschaftswunder hat das
beste Publikum, das man sich wünschen kann.

Was macht für Sie ein richtig gutes Konzert aus?

Oswald: Frauenüberschuss vor der Bühne.

Helga: Wenn Oswald seine Texte nicht vergisst.

Oswald: Ich muss doch schon sehr bitten . . .

Sie harmonieren perfekt auf der Bühne. Wie ist die Gruppe Wirtschaftswunder
entstanden?

Oswald: Dr. Sputnik hatte schon seit den 80er-Jahren den Plan, so
etwas zu realisieren. Sein Astrologe gab ihm dann Anfang der 90er
grünes Licht. Der Rest ist Geschichte. Was unsere Harmonie betrifft,
so liegt das sicher an unserem respektvollen Umgang miteinander.

Eddie Schillinger: Das kann ich nur bestätigen.

Der Fundus dieser Musik ist schier unerschöpflich. Wie stellen Sie
Ihre Programme zusammen: Darf jeder aus der Band seine
Lieblingstitel beisteuern oder gehört auch eine gewisse Dramaturgie
dazu?

Hans Albern: Ich durfte noch nie ein Lied auswählen . . .

Oswald: Hans, wir ham‘s Dir doch schon so oft erklärt. Die nächste Frage bitte.
Gibt es manchmal auch für Sie noch Überraschungen, wenn Sie im Fundus der 50er- und 60er-Jahre-Musik stöbern oder kennen Sie inzwischen jede Nummer?

Jens von Eden: Natürlich haben wir ein fast lückenloses Archiv, aber Dr. Sputnik, das alte Trüffelschwein, findet immer mal wieder eine Perle, die sonst kaum einer kennt und die dann von uns wieder zum Leben erweckt wird.

Wie schaffen Sie es, nach einem Konzert mit zwei oder drei Stunden Wirtschaftswunder-Feeling wieder in die Gegenwart einzutauchen?

Dr. Sputnik: Wer sagt denn, dass wir wieder auftauchen? Wir lassen uns doch von der Realität nicht nötigen. Wir treffen uns nach den Konzerten immer in einer netten Bar, wo wir uns bei Lufthansa-Cocktail und Eierlikör noch stundenlang gegenseitig loben.

Und draußen wartet die Isetta oder der Messerschmitt-Kabinenroller?

Oswald: Wie? Auf mich wartet meistens die Moni oder die Sonja oder . . .

Eddie Schillinger: . . .die Bärbel, die Renate, die Jessica . . .

Helga: Jetzt ist aber gut. Wer fährt mich in die Stadt? Ich brauch ' dringend neuen Nagellack…